Fallstudie Marketing

Der Koffer mit den Rillen

Handelsblatt, Montag, 9.11. 98

Dieter Morszek, Geschäftsführer der Rimowa Kofferfabrik GmbH, KöIn, ist Vorsitzender des Bundesverbandes der Lederwaren- und Kunststofferzeugnisse e.V. und das ausgerechnet als Hersteller von Koffern aus Aluminium, den Koffern mit den charakteristischen Rillen.
Während die Branche, die Morszeck vertritt, seit Jahren über Umsatzrück- gänge und Betriebsschließungen klagt, hat er in seiner Aluminium-Nische bislang kaum Grund zu jammern. Geht der Umsatz der Branche in diesem Jahr voraussichtlich um 10 % auf leicht über eine Mrd. DM (1997:1,3 Mrd. DM) zurück, registriert Rimowa in Deutsch- land zweistellige Zuwachsraten. Läßt seine Konkurrenz aus der Leder- und Kunstoffkoffer-Branche wie Samsonite, Delsey und CarIton bereits seit längerer Zelt im Ausland produzieren, kommen die Alu-Koffer mit den Rillen noch immer aus dem Werk in Köln-Ossendorf.

Morszeck, der das Familienunternehmen in dritter Generation leitet und in diesem Jahr das 100-jährige Firmen-Jubiläum feiert, ist stolz auf sein Nischenprodukt, das eher aus der Not geboren wurde. Firmengründer Paul Morszeck hatte im Schatten des Doms 1898 als Sattler- meister und Hersteller von Bahn- und Schiffskoffern begonnen. Nach einem Bombentreffer 1945 war der gesamte Lagerbestand an Holz und Leder vernichtet worden. Das einzige Material. das die Feuersbrunst überstanden hatte, war Aluminium. Unverwechselbar wurde der Koffer allerdings erst durch das von seinem Sohn Richard Morszeck entwickelte Design in Rillenstruktur.

So steht Rimowa jeweils für die beiden Anfangsbuchstaben von „Richard Morszeck Warenzeichen". Während Kunststoffmarkenware leicht zu kopieren sei dies bei den technisch anspruchs- vollen Aluminiumkoffern nur sehr schwer möglich und an schlechter Verarbeitung leicht zu erkennen, sagt Dieter Morszeck im Gespräch mit dem Handelsblatt. Zu- dem hat sich Rimowa die charakteris- tischen Rillen, einer Wellblechverklei- dung ähnlich, patentieren lassen. Der Koffer wird zum  größtenteils in Hand- arbeit gefertigt. Zur Herstellung werden 200 Einzelteile und 90 Arbeitsgänge benötigt. Qualität „Made in Germany" hat ihren Preis. Die Alu-Koffer kosten je nach Größe zwischen 500 und 1000 DM. Daneben werden noch Fotoprofi- gepäck und hochwertige Kunststoff- koffer aus tschechischer Produktion angeboten (Umsatzanteil 30 %). Mehr als 150 000 Koffer, davon 45 000 aus Kunststoff, stellt Rimowa jährlich her.

Vertrieben werden die Koffer nur über den Lederwarenfachhandel. Mit einer Ausnahme: Auch im Sky-Shop der Lufthansa werden sie als Sondermodell angeboten. Der Koffer mit den Rillen soll schließlich kein Massenprodukt werden. Entscheidend sei auch künftig, dass Rimowa ein exklusives Produkt bleibe, sagt Morszeck. Allzu schnelles Wachstum ist daher in KöIn-Ossendorf unerwünscht. Rimowa lehnt es beispiels- weise ab, mit dem Versandhandel zusammenzuarbeiten. 

Dabei verzichtet das Unternehmen beinahe völlig auf klassische Werbung. Beinahe, denn 

das Unternehmen hat sich auf „Product-Placement", neudeutsch für Schleichwerbung, spezialisiert. Wo in Filmen und Filmchen ein Koffer ge- braucht wird, hilft Rimowa aus. Dazu müssen regelmäßig Drehbücher gelesen werden, um eine Rolle für den Koffer zu finden. Neuester Coup: Ein Actions-Film mit Robert de Niro, in dem der US-Star und einige Rimowa-Koffer eine Haupt- rolle spielen. Zwar tauche der Marken- name des Alu-Koffers an keiner Stelle des Streifens im Bild auf, doch reichten die charakteristischen Rillen völlig aus, so Morszeck, um ihn als einen Rimowa zu identifizieren. Morszeck jedenfalls ist zufrieden. „Mit Product-Placement haben wir gute Erfolge." Große Werbebudgets kann sich der Mittelständler auch nicht leisten. Mit einem Umsatz von 30 Mill. DM und 100 Mitarbeitern kann das Unternehmen keine großen Sprünge machen.

Die eigenen Wachstumsziele sind dennoch ehrgeizig. Mittelfristig müßte eine Verdopplung des Umsatzes möglich sein, meint Morszeck. Wachsen kann Rimowa dabei vor allem im Export.  Morszeck will die Exportquote von heute 30 % auf 50 % ausbauen. Dabei sollen sowohl neue Märkte, etwa in Südamerika und Australien, erschlossen, als auch klassische Märkte, wie Japan, ausgebaut werden. Überlegt werde auch, einen Montagebetrieb in den USA aufzubauen, um die hohen Importzölle zu umgehen. Dies hänge aber davon ab,  ob der de Niro-Film den Koffern mit  den Rillen dort zu einem Absatzerfolg verhelfen könne.
 

Aufgaben/Fragen:

1 . Mit welchen Marketing-Instrumenten ist der Hersteller erfolgreich?
2. Wie könnte man die Preisstrategie bezeichnen?
3. Kommentieren Sie die Produktgestaltung!
4. Welche Art Werbung betreibt dieser Hersteller?
5. Welche Marketingziele sind gesetzt?
 
 
 

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