SZ vom 9.9.99
Das Thema des Tages
Schulfach Ökonomie
Von Nikolaus Piper

 


    In der Schule lernt man die Nebenflüsse der Donau kennen, aber keine Aktiengesellschaften. Gymnasiasten wissen, warum der Dreißigjährige Krieg ausgebrochen ist, aber nicht, wie es zur Arbeitslosigkeit kommt explodiert. Sie können einen Benzolring malen, aber keine Bilanz lesen. Die meisten deutschen Lehrer verstehen ohnehin nichts von Wirtschaft und können den Schülern daher auch nichts beibringen, weshalb diese als Erwachsene glauben, Wirtschaft sei zu kompliziert. Die Klagen. über diesen Missstand sind genau so alt wie die Forderung nach einem Schulfach Ökonomie, die das Deutsche Aktieninstitut jetzt wieder erhoben hat. Neu ist, dass die Forderung mittlerweile populär geworden ist. Und das hat mindestens zwei Gründe:
 

    Erstens stand bis vor kurzem die Wirtschaftswissenschaft unter einem generellen Ideologieverdacht: Volks- und Betriebswirte galten als Propagandisten des Kapitals, die man besser nicht auf unschuldige Kinder los lassen sollte. Spätestens nach 1989 haben jedoch die ideologischen Streiter ihre Schützengräben, verlassen. So pragmatisch wie die Ökonomie selbst ist auch deren Rezeption in der Öffentlichkeit geworden. Schulklassen beteiligen sich ohne Arg an Börsenspielen; ihre Lehrer machen dabei mit.
 

    Zweitens ist der Bedarf an ökonomischen Wissen explodiert. Wenn man sein Leben lang den gleichen Arbeitgeber und das gleiche Bankkonto hat, und wenn die Rente automatisch ein gutes Auskommen im Alter sichert, dann kommt man notfalls auch ohne Verständnis für die Wirtschaft ganz gut durchs Leben. Wenn sich jedoch in Erwerbsbiografien Brüche auftun, wenn Selbständigkeit eine Option ist, wenn man sich um die Altersversorgung, den Stromlieferanten und die Telefongesellschaft selbst kümmern muss, dann ist ökonomisches Grundwissen notwendig. Die neue Welt der offenen Märkte bietet viele Chancen, aber für den, der sie nutzen will, fallen zum Teil hohe Informationskosten an. Ein guter Schulunterricht kann diese senken.
 
 

    Die Öffentlichkeitsarbeiter vom Aktieninstitut haben also recht mit ihrer Forderung: Ökonomie muss Schulfach werden. Nur sei bei all der Aktieneuphorie daran erinnert: Ökonomie handelt nicht nur vom Geldverdienen, sondern auch davon, wie wir leben oder leben sollten. Adam Smith, der erste Ökonom war Moralphilosoph. Im Kern ist Ökonomie, eine Gesellschaftswissenschaft, die sich exakter Methoden bedient und dabei lehrt, wie Menschen mit der Knappheit von Raum, Zeit und Energie umgehen. Das Curriculum eines künftigen Schulfaches darf nicht zu eng werden.

 
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