Aus der SZ vom 22.12.2001

Bundeskanzler: Arbeit ist besser als Sozialhilfe
Schröder will staatliche Zuschüsse für Billigjobs: „Wir müssen intervenieren, um den Niedriglohnsektor zu fördern“
Im Sommer Wende am Arbeitsmarkt erwartet
Von Oliver Schumacher

Berlin – Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat sich für eine staatliche Förderung von Billigjobs ausgesprochen. Trotz leerer Kassen müsse die Regierung ernsthaft über die Einführung eines Kombilohns reden, sagte Schröder in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Zwischen einem Monatsverdienst von 630 und 1700 Mark „müssen wir staatlich intervenieren, um den vorhandenen Niedriglohnsektor zu fördern“. In jedem Fall sei es besser zu arbeiten, als auf Sozialhilfe angewiesen zu sein. Zugleich mahnte der Kanzler, derartige Staatszuschüsse müssten bezahlbar bleiben. „Ich habe keine Lust, einen subventionierten Sektor von 30 Milliarden Mark zu organisieren“, warnte der SPD-Vorsitzende. Erstens habe seine Regierung nicht so viel Geld; und zweitens wäre eine solche Summe volkswirtschaftlich unsinnig. Zurückhaltend äußerte sich Schröder zu der Prognose von Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos), auf diese Weise ließen sich bis zu 1,2 Millionen Jobs schaffen. „Ich bin bei diesen Zahlen sehr vorsichtig.“ Schröder sagte nicht, wann entsprechende Prüfaufträge seiner Regierung abgeschlossen sein werden, um dann Zuschussprogramme bundesweit einzuführen.

Zur weiteren Entwicklung auf dem Arbeits-markt sagte Schröder, die Arbeitslosigkeit werde zum Ende der Legislaturperiode niedriger sein als zu Beginn seiner Regierungszeit: „Wir werden aus heutiger Sicht 2002 rund 400 000 registrierte Arbeitslose weniger haben.“ Sein ursprüngliches Ziel, die Zahl der Arbeitslosen auf unter 3,5 Millionen zu drücken, „werden wir schaffen. Jeder weiß: nur nicht so schnell wie erhofft“. Der Kanzler machte er-neut den Abschwung der Weltkonjunktur für die negative Entwicklung verantwortlich. Dennoch seien, so betonte er, seit 1998 mehr als eine Million neue Arbeitsplätze in Deutschland entstanden. Schröder deutete an, dass er noch vor der Bundestagswahl im kommenden September eine Trendwende erwartet. „Wir sollten uns im Juli nächsten Jahres wieder unterhalten.“

Konkrete Zahlen vermied der Kanzler ebenso wie Empfehlungen an die Tarifparteien. Der Bundesrepublik drohen im Frühjahr harte Lohnrunden. So verlangt die IG Metall Gehaltserhöhungen von bis zu sieben Prozent. „Man kann natürlich mit den Tarifpartnern reden, aber nicht öffentlich“, sagte Schröder. Intern haben Kabinettsmitglieder bereits ihren Unmut über die nach ihrer Ansicht zu hohen Forderungen der Metallgewerkschafter geäußert. Rot-Grün befürchtet bei zu hohen Tarifabschlüssen negative Folgen für den erhofften Aufschwung.

Für die nächste Legislaturperiode sieht Schröder noch beträchtlichen Reformbedarf, um Deutschland zu modernisieren. „Es fehlt noch einiges, auch bei der Gesundheit“, sagte der Kanzler. Als eine der vorrangigen Aufgaben in diesem Bereich bezeichnete es Schröder, die Kosten zu senken und so einen weiteren Anstieg der Beitragssätze zu verhindern. Zum Beispiel gelte es, die steigenden Arzneimittelausgaben zu begrenzen.
 
 
 
 

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