Es ist, als habe man eine Horde Republikaner
losgelassen, denen man während acht Jahren Gefangenschaft ihre einzige
Freude genommen hat: das Steuersenken. Kaum sind sie an der Macht, gibt
es für sie kein wichtigeres Thema. Insgesamt 1,6 Billionen Dollar
möchte der neue Präsident George W. Bush per Steuersenkungen
in den nächsten zehn Jahren verteilen, am liebsten aber noch mehr
und auch noch schneller. Seitdem er Präsident ist und ihm deshalb
immer seltener widersprochen wird, denkt er laut über noch waghalsigere
Schritte nach und das, obwohl er den Demokraten zuvor doch Entgegenkommen
zugesichert hat.
Im Überschwang ist die Vernunft
verloren gegangen. Die jüngste Rede von Notenbankenchef Alan Greenspan
vor dem Haushaltsaussehuss hat daran nichts geändert, eher hat sie
die letzten Mahner verschreckt. Für die Republikaner waren es erst
die angeblich drohende Rezession, die Steuersenkungen unausweichlich machte.
Dann war da der Notenbankenchef, der mit seiner Zinssenkung Anfang Januar
quasi einen Hilferuf ausgestoßen haben soll, die Politik möge
doch mit Steuersenkungen assistieren. Zuletzt vereinnahmte Bush sogar die
Energiekrise in Kalifornien und die steigenden Ölpreise als Argumente
dafür, dass Steuersenkungen der einzige Ausweg für das steuergeplagte
Amerika seien. Ein paar Experten haben zwar empört widersprochen,
aber - wie der Ökonomie-Professor Paul Krugman - süffisant bemerkt:
Zu viele Ökonomen hoffen noch auf einen Job in Washington.
Tricks von Bush
Was selbst einige Republikaner zu
erzürnen vermag, ist die populistische Höchstleistung Bushs,
sich der verhassten ökono- mischen Theorie der Linken, des Keynesianismus,
zu bedienen. Bushs Steuerkonzept war geboren aus der konservativen Freiheitsideologie,
die den Ein-zelnen zum besten Verwalter seines Einkommens und Vermögens
macht. "Es ist Euer Geld", hatte Bush den Leuten im Wahlkampf zugerufen,
"und nicht das des Staates." So begründete er noch vor wenigen Wochen
seine Steuerpohtik, die aber keinen rechten Anklang fand. Kaum zeigte die
Volkswirtschaft jedoch erste Schwächen, interpretierte Bush sein Steuersenkungspaket
in ein keynesianisches Nachfrageprogramm um. Das Steuersenkungsprogramm
bezeichnet er nun als "Versicherung gegen den Abschwung", und sein Chefökonom,
im Weißen Haus, Laurence Lindsay, behauptet, vordringlich wäre
es nun, den Konsum anzukurbeln, indem man den Bürgern Steuererleichterungen
gewähre.
Was aussehen mag wie die Renaissance
des Keynesianismus in Amerika, ist es jedoch nicht. Erstens wird die Bushregierung
ihre Steuersenkungsphilosophie sofort ändern, wenn es der Wirtschaft
wieder besser geht und das könnte schon in ein paar Monaten der Fall
sein. Zweitens macht selbst die aktuell gültige Version dem modernen
Keynesianismus keine Ehre. Selbst die Leute die an die Kraft der Nachfrage
als Mittei zur Konjunkturbelebung glauben, sehen keinen Sinn in einem so
kurzfristig angelegten Programm. Greenspan hat in seiner aktuellen Rede
zu Recht auf historische Erfahrungen unter Präsident Gerald Ford verwiesen,
dessen Steu-erpolitik erst wirkte, als die Wirtschaft schon lange keine
Hilfe mehr brauchte. Bushs Steuersenkungen würden frühestens
2002 wirksam werden, wenn die gegenwärtige Flaute längst vorüber
sein könnte. Keynesianische Nachfrageprogramme mögen bei nachhaltigen
Krisen sinnvoll sein, bei vorübergehenden Schwächephasen kommen
sie immer zu spät.
Kurswechsel von Greenspan
Greenspan durfte bisher zugute gehalten
werden, dass er sich nicht eingelassen hat auf den platten Bush'schen Keynesianismus.
Ebenso wenig übrigens Bushs neuer Finanzminister Paul O'Neill, der
Ideologen nicht mag, schon einmal eine Steuererhöhung gefordert hat
und das Bindeglied der neuen Regierung zum Notenbankchef sein soll. Greenspan
jedenfalls wollte von einer schnel-len Konjunkturhilfe nichts wissen, wohl
auch mit Rücksicht auf die eigene Position, weil dafür nach herrschen-der
Meinung noch immer die Notenbank mit ihrer Zinspolitik zuständig ist.
Dennoch: Auch Greenspan hat jetzt einen Wandel vollzogen, der weniger ökonomisch,
denn politisch durch den Machtwechsel begründet ist.
Es gibt kein einziges neues sachliches
Argument, warum Greenspan seine Meinung zwischen Dezember und Januar hätte
ändern sollen. Dass der Budgetüberschuss vielleicht etwas größer
ausfällt als vor kurzem noch gedacht, ist weder neu (weil die Prognosen
die letzten Jahre dauernd nach oben verschoben wurden) noch ändert
es etwas an der Frage, welches Ziel Priorität hat: die Entschuldung
oder Steuersenkungen. Dennoch hat Greenspan jetzt die Prioritäten
verschoben. Der Republikaner ist lange genug in der Politik tätig,
um zu wissen, dass er Bush mit seiner Rede freie Bahn geschaffen hat, die
Steuersenkungen als wichtigstes politisches Projekt zu etablieren.
Mit seiner neuen, keynesianisch
angehauchten Steuerphilosophie hat Bush zudem ein wirksames Mittel entwickelt,
die noch skeptischen Demokraten für seine Steuerpläne zu begeistern.
Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann der Wettbewerb der Abgeordneten
um Steuersenkungsforderungen beginnt. Ein kritischer, unabhängiger
Notenbankchef wäre dann nötiger denn je.
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