Besondere Konjunkturabschnitte

Bei der Erklärung für das Auf und Ab in der Wirtschaft konzentriert man sich auf das "normale" Geschehen und auf gewisse Gesetzmäßigkeiten. Im 20. Jahrhundert zeigte die Wirtschaftsentwicklung sehr deutlich solche normal verlaufenden Konjunkturzyklen. Das vergangene Jahrhundert bot aber auch außergewöhnliche Wirtschaftsentwicklungen, die in diesem Abschnitt kurz erläutert werden sollen.

1. Weltwirtschaftskrise von 1929

Schwarzer Freitag  (25.10.1929) - In Wirklichkeit war es Donnerstag, der 24. Oktober 1929. Ihm folgten allerdings ein ebenso schwarzer Freitag und viele weitere Tage, an denen die Aktienkurse dramatisch fielen. Es gab plötzlich viele Verkäufer aber kaum Interessenten für Aktien. Damals sank der Kurs der wichtigsten amerikanischen Aktien innerhalb von wenigen Stunden um 13%. Es kam zu panikartigen Verkäufen von Tausenden von Anlegern. Dieser Crash beendete eine lange Periode steigender Kurse und ein damit verbundenes Spekulationsfieber in der amerikanischen Bevölkerung. Der sogenannte "Schwarze Freitag" in New York wurde so der wohl bekannteste Börsencrash seit Bestehen des organisierten Handels mit Wertpapieren. Er läutete eine mehrjährige weltweite Depression ein. Viele amerikanische Aktien verloren bis zu 90% ihres Wertes. Die Aktie des weltweit größten Autoherstellers General Motors stürzte sogar von 180 auf unter 10 US-Dollar ab. Vom Oktober 1929 bis ins Jahr 1933 ging es fast ohne Unterbrechung immer weiter bergab. Schließlich war der Wert aller an der US-Börse notierten Aktien auf ein Sechstel des zuvor erzielten Spitzenwertes gefallen. Die Pleiten und Bankzusammenbrüche in den USA lösten einen starken Abzug amerikanischer Gelder aus Europa aus.

In den "Gründerjahren" nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 und der deutschen Reichsgründung hatte der Boom zu einer stark überhitzten Wirtschaftsentwicklung geführt. Das Ende wurde am 25. Oktober 1929 eingeläutet. Vorausgegangen war eine Zeit wilder Spekulationen. Wer Aktien ausgab, konnte sicher sein, dafür Käufer zu finden, die gar nicht erst fragten, was für ein Unternehmen dahinter stand. Oftmals hatten die Spekulanten ihre Wertpapiere mit Hilfe von Krediten erworben. Während sie niemanden fanden, der ihnen ihre Aktien wieder abnehmen wollte, verlangten die Banken ihr Geld zurück. Viele dieser Spekulanten mußten daher schließlich Konkurs anmelden. Weil so eine Vielzahl von Anlegern ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen konnten, kam es zu einer Serie von Bankpleiten.

Die USA waren der Geldgeber der europäischen Verbündeten im 1. Weltkrieg ebenso der Finanzier des Wiederaufbaus in Europa, einschließlich Deutschlands (Reparationszahlungen nach Versailler Vertrag). In der Nachkriegszeit entwickelte sich eine lange Phase der Hochkonjunktur mit übermäßigen Investitionen und einer Überproduktion vor allem in der Landwirtschaft. Der Abzug kurzfristiger amerikanischer Kredite führte in Europa und besonders in Deutschland zu einer Katastrophe. So musste als erste Bank die angesehene Creditanstalt in Wien am 11. Mai 1931 ihre Schalter schließen und riß auch viele deutsche Banken mit ins Verderben. Am 11. uli des gleichen Jahres mußte die Darmstädter und Nationalbank die Zahlungen einstellen. Im September mußte sogar die Bank of England erklären, daß sie den Goldstandard (die Verpflichtung, Banknoten jederzeit in Gold einzulösen) nicht mehr aufrecht erhalten konnte. Zahlreiche Länder folgten diesem Beispiel. Wegen des Ansturms der Gläubiger schlossen alle amerikanischen Banken im April 1933 vorübergehend ihre Schalter.  Die Folgen für die produzierende Wirtschaft waren ebenfalls dramatisch. Überall gingen die Nachfrage und die Produktion zurück. Der Außenhandel brach ein: Die Exporte der USA schrumpften zwischen 1929 und 1932 von 5,2 auf 1,6 Milliarden US-Dollar, die Einfuhren von 4,4 auf 1,3 Milliarden US-Dollar. Der deutsche Außenhandel sank ebenfalls drastisch: Die Exporte gingen von 12 auf 4,9 Milliarden Reichsmark zurück, die Importe von 10,4 auf 4,2 Milliarden.

Die Staatseinnahmen sanken dramatisch ebenso wie die Staatsausgaben stiegen. Durch einen drastischen Sparkurs wurde die Krise verstärkt, es kam zu Firmenzusammenbrüchen, Banken schlossen ihre Schalter  und Massentlassungen waren die Folge. Die Zahl der Arbeitslosen stieg sprunghaft an, von September 1929 bis September 1931 von 1,6 Millionen auf 4,3 Millionen. Anfang 1933 wurden 6 Millionen überschritten. Erst als Folge der Aufrüstung in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre wurde die Arbeitslosigkeit zum Teil  überwunden.

2. Das deutsche „Wirtschaftswunder“


Vorgeschichte

Durch die Kriegswirtschaft war eine riesige Geldmenge entstanden, der nur ein geringes Warenangebot gegenüberstand. Es herrschte große wirtschaftliche Not, denn es mangelte an Nahrungsmitteln, Heizmaterial (Kohleknappheit) und Wohnraum. In vielen deutschen Städten war mehr als die Hälfte des Wohnraums zerstört und ein großer Teil der Industrieanlagen. Das staatliche Bewirtschaftsungssystem des Dritten Reiches, das von den Alliierten zunächst beibehalten wurde, zerbröckelte am "Scharzen Markt". Angesichts der relativen Wertlosigkeit von Geld und Lebensmittelkarten sahen sich die Bürger, vor allem in den Großstädten auf Schwarzhändler und Schieber angewiesen, da sie auf dem offiziellen Markt die lebensnotwendigen Güter nicht mehr kaufen konnten. In Deutschland gab es zu dieser Zeit drei Währungen: Staatliche Gehälter und Steuern wurden in Reichsmarkt gezahlt. Seit August 1946 gab es für den Verkehr zwischen alliierten und deutschen Stellen das "Besatzungsgeld", das nicht in Reichsmark umgetauscht werden konnte. Das wichtigste Zahlungsmittel aber waren Zigaretten, für die man auf dem Schwarzen Markt fast alles erhalten konnte. Man spricht deshalb auch von der Zeit der "Zigarettenwährung" und Deutschland sollte ein Agrarstaat werden (Morgenthau-Plan) mit geringer industrieller Betätigung.
In diese Zeit fällt die Zerreissung eines geschichtlich zusammengewachsenen einheitlichen Wirtschaftsgebiets, die Zerschlagung der Großindustrie, die Bodenreform in der sowjetischen Zone mit der Enteignung des landwirtschaftlichen Grundbesitzes ohne Entschädigung und der Aufbau eines planwirtschaftlichen Wirtschaftssystems In seiner Rede an der Harvard-University am 5. Juni 1947 äußerte der amerikanische Außenminister George C. Marshall, dass in Europa verstärkte Wirtschaftshilfe von den USA geleistet werden müsse. Damit wurde eines der bedeutendsten und erfolgreichsten Wirtschaftsprogramme eingeleitet: Das European Recovery Programm, kurz ERP, bekannt auch unter dem Namen "Marshall-Plan". Dieses Programm umfasste umfangreiche Hilfen für die europäischen Völker, gleich ob Sieger oder Besiegte, um Europa zu stabilisieren und gegen den drohenden kommunistischen Vormarsch zu immunisieren. Die Sowjetunion lehnte die Teilnahme an diesem Programm ab und damit hat der Marshallplan auch zur Spaltung Deutschlands und Europas nicht unwesentlich beigetragen.

Die Höhe der Mittel aus diesem Plan - insgesamt 12,4 Mrd. US-Dollar - und ihr Einsatz unterschied sich von Land zu Land. Vorgenommen wurde die Verteilung der Hilfe durch die neu gegründete Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC).  Die vier bevölkerungsreichsten Länder bekamen zwar den Hauptanteil, jedoch profitierten die kleinen Länder mehr davon, da die Gelder pro Kopf berechnet wurden. Großbritannien erhielt insgesamt 3,4 Mrd. US-$, Frankreich 2,8 Mrd. $, Italien 1,5 Mrd. $ und Westdeutschland (ab 1949 Bundesrepublik Deutschland) 1,7 Mrd. $. Zum Vergleich: Norwegen erhielt 136 US-$ pro Kopf, Österreich 131, Griechenland 128, die Niederlande 111, Frankreich 71, Großbritannien 53, Italien 30 und Deutschland 18.
Der Verwendungszweck der Marshallplanhilfe unterschied sich ebenfalls von Land zu Land: Import von Maschinen, Fahrzeugen, sowie Eisen- und Stahlprodukten: Island: 41,8%, Belgien/Luxemburg: 35,8%, Norwegen: 25,7%, Österreich: 11,3%, Großbritannien: 8,8%, Deutschland: 3,3%; Nahrungsmittelimporte: Deutschland: 46,8%, Italien: 35,2%.

Die Marshallplan-Kredite ermöglichten der westdeutschen Wirtschaft in den Jahren von 1948 bis 1952 Importe von wichtigen Rohstoffen aus den USA.  Die Lieferungen erfolgten ohne Berechnung, aber die Importeure der Hilfsgüter mußten dafür "Gegenwertmittel" in einen Fonds einzahlen. Aus diesem wurde ein Sondervermögen des Bundes gebildet, das ERP - Sondervermögen. Daraus wurden dann wieder Kredite für den Wiederaufbau der zerstörten Betriebe gegeben und Zuschußprogramme finanziert. Dieses Sondervermögen besteht bis heute. Die Rückflüsse aus den gewährten Krediten werden weiterhin zur gezielten regionalen und sektoralen Förderung von Investitionsvorhaben privater mittelständischer Unternehmen, des Umweltschutzes und ähnlicher Aufgaben eingesetzt. Seit Anfang 1990 werden ERP-Mittel auch zur Umstrukturierung der Wirtschaft in den neuen Bundesländern vergeben. Der Vorteil dieser Kredite gegenüber den banküblichen Konditionen bestehen in niedrigen Zinsen und langen Laufzeiten.

Eine Vorbedingung für die Einbeziehung der Westzonen in den Marshallplan war die grundlegende Bereinigung der Währungsverhältnisse. Durch die nationalsozialistische Kriegswirtschaft war eine riesige Geldmenge entstanden, der nur ein geringes Warenangebot gegenüberstand. Am 19. Juni 1948 – einen Samstag – wurde eine Währungsgesetz der drei westlichen Militärgouverneure durch Rundfunk und Extrablätter bekanntgegeben. Nachdem auch die Bank deutscher Länder gegründet war, wurde die Währungsreform am 20./21. Juni durchgeführt. Jeder Bewohner der Westzonen erhielt im Umtausch gegen 60 Reichsmark ein sogenanntes Kopfgeld von 40 DM, im August noch einmal 20 DM; Unternehmen erhielten für jeden beschäftigten Arbeitnehmer 60 DM, Löhne, Gehälter, Pensionen, Renten, Mieten und Pachtzinsen wurden im Verhältnis 1:1 umgestellt, die meisten anderen Verbindlichkeiten 10:1. Der Währungsschnitt traf besonders hart die Besitzer von Sparguthaben, die im Verhältnis 100:6,5 abgewertet wurden. Demgegenüber wurden die Besitzer von Sachwerten wie Grund und Boden, Häusern, Produktionsbetrieben, Lagern begünstigt – eine Grundentscheidung für die künftige Vermögensverteilung.

Am 20. Juni 1948 verkündete Ludwig Erhard, der Direktor für Wirtschaft in der Trizonenverwaltung, eigenmächtig – ohne Zustimmung der Besatzungsmächte – die weitgehende Aufhebung der Bewirtschaftung und Preisbindung. Über Nacht wurde nun plötzlich in den Geschäften alles, was bisher gesetzwidrig zurückgehalten worden war, angeboten; der Schwarzmarkt verschwand spurlos. Die Sowjetzonenverwaltung zog am 23. Juni 1948 mit einer eigenen Währungsreform nach, die auf ganz Berlin ausgedehnt werden sollte. Als die Westmächte die DM-Währung in den Westsektoren Berlins einführten, begannen die Sowjets mit der Berliner Blockade, die von den Westmächten mit einer Luftbrücke beantwortet wurde.

Gründe für das Wirtschaftswunder

 
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