Der Wirtschaftskreislauf -
oder aus der Sicht der Vogelperspektive:
Wer agiert wie dort unten wirtschaftlich?

Niemand in einer modernen Volkswirtschaft kann seine Bedürfnisse befriedigen, ohne dazu auf die Leistungen anderer Teilnehmer am Wirtschaftsleben zurückzugreifen. Dazu hat die Arbeitsteilung entscheidend beigetragen: die Teilung der Produktion und nicht zuletzt die berufliche Spezialisierung. Der Austauschprozeß, das Anbieten und Nachfragen, das Geben und Nehmen ist in einer Volkswirtschaft immer unübersichtlicher geworden.

Diese Unübersichtlichkeit erscheint umso größer, als die Teilnehmer am Wirtschaftsgeschehen stets in mehreren Rollen handeln. Der Familienvater als Arbeitnehmer, als Facharbeiter, als Konsument, als Sparer, als Steuerzahler. Der Unternehmer als Leiter seines Betriebes, als Investor, als Kreditnehmer, als Exporteur, als Importeuer, als Konsument, als Steuerzahler. Arbeitnehmer und Unternehmer bilden zusammmen die etwa 38 Millionen privaten Haushalte in der deutschen Volkswirtschaft. Über 3 Millionen Unternehmen sorgen für die Bereitstellung der gewünschten Wirtschaftsgüter. Der Bund, die Träger der Sozialversicherung, die 16 Länder mit den etwa 15.000 Gemeinden verdichten mit ihren politischen Entscheidungen und ihren Transaktionen das wirtschaftliche Geschehen.

Schon im 18. Jahrhundert haben Wirtschaftswissenschaftler versucht, Ordnung in diese Wirrnis zu bringen. Der Leibarzt der Marquise de Pompadour, der Biologe und Ökonom Francois Quesnay (1694-1774), erkannte die Ähnlichkeit der wirtschaftlichen Austauschvorgänge mit dem menschlichen Blutkreislauf und stellte Geld- und Güterströme einander erstmals gegenüber. Sein Konzept des Wirtschaftskreislaufs wurde später erweitert. Der Geldstrom verläuft entgegen dem Güterstrom, aus dem einfachen Grund, weil Güter mit Geld bezahlt werden, das Geld somit die Gegenleistung für die Güter bildet.

Das Kreislaufmodell stellt ein vereinfachtes Abbild des wirtschaftlichen Geschehens dar, dient der Analyse und erleichtert das Begreifen der ökonomischen Zusammenhänge.

1. Der einfache Wirtschaftskreislauf

Das einfache Kreislaufmodell berücksichtigt nur die Beziehungen zwischen den Privathaushalten und den Unternehmen. Haushalte stellen den Unternehmen Produktionsfaktoren (Arbeit, Kapital und Boden) zur Verfügung und erhalten dafür Einkommen (Löhne, Gehälter, entnommene Gewinne, Dividenden, Zinsen, Miete, Pacht). Dieses Einkommen wird vollständig für die Bedrüfnisbefriedigung ausgegeben. Es wird nicht gespart und auch nicht investiert. Die Wirtschaft wächst nicht und es wird kein neues Kapital gebildet. Man spricht von einer stationären  Wirtschaft.  Solche Volkswirtschaften gibt es nicht. Reale Volkswirtschaften sind evolutorisch.
 

2. Der erweiterte Kreislauf

Die Haushalte geben nur einen Teil ihres Einkommens für Konsumgüter aus, einen Teil sparen sie, d.h. sie verzichten auf Konsum. In der Regel wird heute das Geld auf die Bank getragen. Wir verwenden deshalb auch in dem folgenden Kreislaufmodell den Begriff Bank, obwohl Banken eigentlich zum Unternehmenssektor gehören und auch unser VWL-Buch statt dessen den Begriff “Vermögensveränderung” verwendet. In anderen Darstellungen finden sich Begriffe wie “Kapitalvermittlung” oder “Kapitalsammelstellen”, da ja auch an anderen Stellen gespart wird.
Um das Modell einigermassen verständlich zu gestalten, belassen wir es bei dem Begriff "Banken" und gehen davon aus, dass das gesparte Geld den Unternehmen über Kredite zur Verfügung gestellt wird. Die Unternehmen tätigen mit diesen Krediten Ersatz- und Neuinvestitionen. Beide Investitionsformen werden als Bruttoinvestitionen bezeichnet. Ersatzinvestitionen müssen in Höhe der Abschreibungen (Wertverlust durch Verschleiß der Anlagen bei der Herstellung der Güter) getätigt werden. Neuinvestitionen sind Erweiterungsinvestitionen oder Rationalisierungs- oder Umstrukturierungsinvestitionen. Das Geld- und Sachvermögen nimmt zu, die Wirtschaft wächst.
Im Unterschied zum ersten Modell konzentrieren wir die Betrachtung nur auf die Geldströme und erweitern wie folgt:


Der Sachverhalt läßt sich auch in Gleichungen verkürzt darstellen:
1. Y = C + I
2. Y = C + S
(Y bezeichnet das Einkommen, C den Konsum, I die Investition und S das Sparen).
Die erste Gleichung gibt an, dass die Nachfrage nach Konsumgütern ( C) und nach Investitionsgütern (I) zur Erstellung des Produkts (Y) führt. Das dadurch entstandene Einkommen (Y) wird für Konsumausgaben (C ) und Ersparnis (S) verwandt
(2. Gleichung). Gleichung 1 symbolisiert also die Entstehung, Gleichung 2 die Verwendung des Einkommens.
Da C + I = C + S (weil Y = Y) ist, ergibt sich aus den Gleichungen 1 und 2 die Gleichung 3:
S = I.
Diese Gleichung gibt an, dass in diesem vereinfachten Modell die gesamten Ersparnisse der Haushalte über die Banken an die Unternehmen für deren Nachfrage nach Investitionsgütern vermittelt wurde. Es wird also eine gleichgewichtige Situation dargestellt, in der die gesamte Produktion von den Unternehmen und des Haushalten aufgenommen wird.
(Sie finden eine ausführliche  Darstellung in unserem VWL-Buch S. 38/39)

3. Der erweiterte Kreislauf (geschlossene Volkswirtschaft) mit staatlicher Aktivität
Eine weitere Annäherung an die Wirklichkeit erfolgt durch die Berücksichtigung der staatlichen Aktivitäten. Zur Finanzierung dieser Aktivitäten erhebt der Staat Steuern (direkte und indirekte), Sozialabgaben und Gebühren. Zu den staatlichen Ausgaben gehören die Gehaltszahlungen für die "Staatsdiener", die gesamten Transferleistungen (Renten, Sozialhilfe, Kindergeld), die Subventionen (Förderung einzelner Unternehmen) sowie der Staatsverbrauch (Bau der staatlichen Einrichtungen..). Bei einem ausgeglichenen Staatshaushalt ergibt sich das folgende Kreislaufbild.



Dieses Bild ist durch die Kreditaufnahme des Staates bei den Banken zu ergänzen, wenn die Staatsausgaben die Einnahmen übersteigen. Sollten Haushaltsüberschüsse anfallen, dann führt ein Geldstrom vom Staat zu den Banken, da der Staat "spart".

4. Das Kreislaufmodell einer offenen Volkswirtschaft

Jede moderne Volkswirtschaft pflegt Beziehungen zum Ausland. Diese komplexen Beziehungen werden im Modell auf den Export und den Import beschränkt.  Beim Export fließt der "Geldstrom" vom Ausland zu den Unternehmen und umgekehrt verläuft der Geldstrom beim Import von den Unternehmen zum Ausland.
Die Darstellung dazu findet sich unter den Lerninhalten der 13. Klasse.
 
 

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