Dem Auf und Ab der Wirtschaft auf der Spur

1. Die Konjunkturphasen (klassischer Konjunkturverlauf)

In einer Marktwirtschaft werden Angebot und Nachfrage von bzw. nach Gütern und Leistungen vom Wettbewerb bestimmt.  Bevor sich jedoch jeweils ein Gleichgewicht einpendelt, kann die Nachfrage dem Angebot vorauseilen, oder umgekehrt. Übersteigt die Nachfrage das Angebot, so wird die Produktion – bei sich erweiternden Preis- und Gewinnspielräumen - durch höhere Auslastung und später auch durch Erweiterung der Kapazitäten bzw. durch neue Anbieter erhöht: Die Wirtschaftstätigkeit belebt sich, die Wertschöpfung nimmt zu. Übertrifft das Angebot die Nachfrage, so treten die umgekehrten Prozesse ein.

Dieses „Auf' und Ab“', nämlich die Veränderungen im Grad der wirtschaftlichen Aktivität, gemessen an den Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts, ergeben den Konjunkturverlauf als wellenförmige Kurve zwischen den Zeiten des Geringst- und  Höchsteinsatzes aller Produktionsfaktoren. Voll ausgelastete Kapazitäten bedeuten also eine Hochkonjunktur (Boom), überbeanspruchte ( z. B. Überstunden, Sonderschichten) eine Konjunkturüberhitzung, brachliegende bzw. vernichtete ein Konjunkturtief (Talsohle, Depression). Den Weg vom Tief zum Höhepunkt des Konjunkturverlaufs kennzeichnen zunehmend besser beanspruchte, die umgekehrte Bewegung zunehmend schlechter ausgenutzte Kapazitäten (Aufschwung / Prosperität und Abschwung / Rezession).

Es ergeben sich also vier verschiedene Phasen der Konjunktur:
Im Konjunkturtief (Depression) stagnieren Nachfrage, Produktion, Gewinne, Preise, Löhne und Zinsen auf niedrigem Niveau, es wird nicht investiert, Betriebe müssen schließen und es gibt viele Arbeitslose; die Ersparnis ist – aus Zukunftsangst – eher hoch. 
Im Aufschwung (Expansion) steigen Nachfrage und Produktion, die Unternehmer erwarten zunehmende Gewinne, investieren und stellen zusätzliche Arbeitskräfte ein, die Löhne, Preise und Zinsen beginnen zu steigen, die Sparneigung nimmt ab.
In der Hochkonjunktur (Boom) herrscht Vollbeschäftigung bzw. Arbeitskräftemangel, so dass die Löhne und damit die Einkommen und die kaufkräftige Nachfrage, aber auch die Preise und die Zinsen (bei geringer Sparneigung) stark steigen, die Produktion durch Neu-Investitionen noch erheblich erhöht wird und es zur Überhitzung kommt: Überproduktion und Marktsättigung lassen die Gewinne schrumpfen.
Im Abschwung (Rezession) wird wegen der nun negativen Absatz- und Ertragserwartungen die Produktion verringert, es werden nur noch Ersatzinvestitionen getätigt und Arbeitskräfte entlassen, die Löhne sinken, die kaufkräftige Nachfrage (bei gleichzeitig höherem Sparen) ebenfalls, die Preise und Zinsen sinken, es kommt zu Firmenzusammenbrüchen.

Sowohl im Auf- als auch im Abschwung zeitigen die Unternehmer- und die Verbrauchererwartungen ebenso wie die Marktkräfte selbst Beschleunigungs- und Multiplikatorwirkungen (siehe Exkurs), die den Auf.- bzw. Abwärtstrend noch verstärken.

Der gesamte Ablauf von Tief zu Tief - bzw. von Boom zu Boom - ist der Konjunkturzyklus, wobei Ausgangs- und Endpunkte nach Ausprägung der Ab- bzw. Aufwärtsbewegung voneinander abweichen können. Die Dynamik des marktwirtschaftlichen Systems bewirkt, daß Neuerungen das Leistungspotential längerfristig tendenziell erweitern, sodass die gesamtwirtschaftliche Leistungsbasis am Ende eines Zyklus eher höher liegt als an seinem Anfang. Bei der Darstellung von Konjunkturkurven wählt man deshalb einen insgesamt leicht nach oben gerichteten Verlauf; man unterstellt also einen auf längere Zeit positiven Wachstumstrend.
 
 

                                                                            (Globus-Schaubilder, Erich Schmidt-Verlag)

Neben dem aufgezeigten Konjunkturzyklus sind saisonale (kurzfristige) Schwankungen zu beobachten, die ihre Ursachen haben im Wechsel der Jahreszeiten (z.B. höhere Umsätze bei Hotels, Restaurants, Freizeiteinrichtungen in touristischen Gebieten in Ferienzeiten oder Arbeitslosigkeit in der Bauindustrie während der Wintermonate) oder in Sitten und Gebräuchen (z.B. hohe Einzelhandelsumsätze in der Vorweihnachtszeit). Diese Art der konjunkturellen Schwankungen dauern nur wenige Wochen oder Monate, betreffen nur einzelne Wirtschaftszweige und sind gesamtwirtschaftlich eigentlich bedeutungslos.

Der Trend deutet die langfristige Richtung der Entwicklung an. Seit 1950 ist bis auf wenige Ausnahmejahre das Sozialprodukt in Deutschland jedes Jahr gestiegen. Wuchs die Wirtschaft in den 50er Jahren noch um durchschnittlich 7 % pro Jahr, waren es in den 80er Jahren nur noch etwa 3 % und die 90er Jahre zeigen sich als wachstumsschwächere Jahre.
Aus diesen Darstellungen sind Phasen der Hochkonjunktur erkennbar in den Jahren 1950, 1955, 1960, 1965, 1969 und 1991. Die erste Rezession fand 1967 statt. Es folgten Rezessionen 1974/75 (auch als Ölkrise bezeichnet), 1981/82 und 1993.

Entwicklung des BSP in Deutschland bis in die 90er Jahre:


ab 1991 gesamtdeutsche Statistik

Die 90er Jahre


Angaben in Prozent
(Quelle: Statistisches Bundesamt)
 
 

Das Wachstum (im Jahre 2001) in den einzelnen Bundesländern:


Grafik wurde entnommen dem „Wirtschaftsüberblick“ des Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Ausgabe 1/2002 unter www.bmwi.de



2. Die Konjunkturindikatoren

Um die einzelnen Phasen des Konjunkturverlaufs zu beschreiben, zu analysieren und zu prognostizieren, werden charakteristische Merkmale (Konjunkturindikatoren) der wirtschaftlichen Entwicklung herangezogen. Aussagen über die Zukunft der Wirtschaftsentwicklung sind für Unternehmen wichtig, um Investitionsentscheidungen sicherer zu treffen und sie dienen dem Staat, um den Konjunkturverlauf durch konjunkturpolitische Maßnahmen beeinflussen zu können. Aussagen, die die Zukunft betreffen sind jedoch immer problematisch. Das Ausmaß der konjunkturellen Schwankungen und ihre Dauer sind schlecht vorhersehbar.

Es ist üblich die Konjunkturindikatoren nach ihrer zeitlichen Beziehung zum Konjunkturverlauf einzuteilen in Früh-, Präsens- (Gegenwarts-) und Spätindikatoren.
 

Arten der Konjunkturindikatoren
Beispiele
Frühindikatoren
(zeitlicher Vorlauf)
    • Geschäftserwartungen von Unternehmen
    • Entwicklung der Aktienkurse
    • Auftragseingänge in Unternehmen 
    • Investitionsentscheidungen
    • Entwicklung der Lagerhaltung
    • Baugenehmigungen
Präsensindikatoren
(zeigen den gegenwärtigen Stand)
    • Reales Bruttoinlandsprodukt
    • Kapazitätsauslastung
    • Produktivität
    • Einzelhandelsumsatz
    • Außenhandelsumsatz
Spätindikatoren
(zeigen Folgeerscheinungen)
    • Zahl der Beschäftigten und Arbeitslose
    • Zahl der Konkurse
    • Preisentwicklung


Beispiel für einen Frühindikator
Bericht über Wachstum aus T-Online vom 28.08.2002
Ifo-Geschäftsklima-Index
Wirtschafts-Stimmung erneut gesunken

Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich im August deutlicher als erwartet eingetrübt. Der Geschäftsklimaindex des ifo Instituts sank in Westdeutschland von 89,9 Punkten im Vormonat auf 88,8 Punkte.
Aufschwungsaussichten verschlechtert
Damit signalisiere der Indikator, dass der Aufschwung zumindest vorübergehend unterbrochen sein könnte, teilte das Wirtschafts- forschungsinstitut am Mittwoch in München mit. Von der Nachrichtenagentur AFX befragte Volkswirte hatten im Durchschnitt mit einem Rückgang auf 89,5 Punkte gerechnet. Der Rückgang resultiert den Angaben zufolge vor allem aus der ungünstigeren Einschätzung der Perspektiven für die nächsten sechs Monate. Der Indikator sank von 102,4 auf 100,8 Punkte. Aber auch die Urteile zur gegenwärtigen Geschäftslage fielen etwas schlechter aus. Der Indikator ging hier von 77,9 auf 77,3 Punkte zurück.
Ungünstige Meldungen aus dem Verarbeitenden Gewerbe
Zur Eintrübung des Geschäftsklimas hätten wie schon im Juli vor allem die ungünstigeren Meldungen aus dem Verarbeitenden Gewerbe beigetragen. Im Bauhauptgewerbe sei der Klimaindikator dagegen unverändert geblieben. Im Einzel- und Großhandel sei das Geschäftsklima nach der leichten Erholung im Vormonat wieder auf den Stand von Juni zurückgefallen.
Geschäftsklima in Ostdeutschland schlechter
Auch in Ostdeutschland hat sich das Geschäftsklima eingetrübt. Hier sank der Index von 99,6 auf 99,1 Punkte. Der Index für die Erwartungen sank von 85,7 auf 83,6 Punkte, der für die Lage stieg dagegen von 114,1 auf 115,1 Punkte.



 

3. Konjunkturtheorien
Womit können wir das wirtschaftliche Auf und Ab erklären?

Im Laufe der Wirtschaftsgeschichte wurde eine Vielzahl von Erklärungsansätzen, sog. Konjunkturtheorien entwickelt. Die wichtigsten Theorien, die die einzelnen Konjunkturphasen im Zusammenhang beschreiben und insbesondere die Wendepunkte im Zyklus zu erklären versuchen, lassen sich einteilen in

Die Vertreter der rein monetären Theorien sehen im Konjunkturzyklus ein reines Geldphänomen. Hier hängt alles ab von der Versorgung der Wirtschaft mit Geld. In den Überinvestitionstheorien knüpft man an der Erfahrung an, dass die Investitions- güterindustrie größeren konjunkturellen Schwankungen unterliegt als die Konsumgüterindustrie. Die Unterkonsumtionstheorien gehen davon aus, dass das Umkippen der Konjunktur durch eine zu geringe Konsumnachfrage ausgelöst wird. Heute weiß man, dass die wirtschaftlichen Wellenbewegungen nicht auf eine Ursache allein zurückgeführt werden können. Es gibt zahlreiche „Auslöser“, zu denen auch die in den traditionellen Konjunkturtheorien genannten gehören.

Aus den Theorien kann man lernen, dass die wirtschaftlichen Wellenbewegungen vor allem aus den Fehlplanungen der Wirtschaftssubjekte resultieren. Dies ist auch leicht verständlich, wenn man sich die Zahl von Einzelpersonen, sozialen Gruppen (z.B. private Haushalte, Unternehmen), sozialen Organisationen (z.B. Arbeitnehmerverbände, Arbeitgeberverbände, Bauern- verbände, Heimatvertriebenenverbände usw.) sowie staatliche Verwaltungen und Einrichtungen (Regierungen, Bundes- und Länderparlamente, Sozialversicherungsträger, Gemeinden, Kreise) vergegenwärtigt, die wirtschaftliche Entscheidungen treffen. Konjunkturen sind deshalb Erscheinungen, die dezentral geplanten Wirtschaftsordnungen, also marktwirtschaftlichen Systemen immanent (=innewohnend) sind.

Zusammenfassung
Staat
Zentralbank
Unternehmen
Gewerkschaften
Private Haushalte
Ausland
kann durch erhöhte Ausgaben die Gesamtnachfrage erhöhen. Es steigen Beschäftigung und Einkommen. Die Einleitung eines Aufschwungs kann zumindest erleichtert werden.
 
 
 
 
 

 

kann durch Geldmengenvermehrung dazu beitragen zusätzliche Nachfrage nach Konsum- und Investitionsgütern zu finanzieren und gleichzeitig das Zinsniveau zu senken.
 
 
 
 
 
 

 

entscheiden weitgehend über Investitionen. Diese hängen ab von dem Vertrauen in die künftige Wirtschaftspolitik, die Entwicklung der Auslandsnachfrage und vom Verhalten der Verbraucher. Positive Gewinnerwartungen erhöhen die Investitionsbereitschaft.
 
 
 

 

beeinflussen die Gewinnerwartungen bzw. die tatsächliche Gewinnsituation. Setzen sie Lohnerhöhungen durch, die über den Produktivitätszuwachs hinausgehen, sinken die Gewinne und damit die Investitionsbereitschaft. Maßvolle Lohnforderungen haben die entgegengesetzte Wirkung.
 

 

Steigt der private Verbrauch, nimmt zunächst die Beschäftigung der Konsumgüterindustrie zu. Ist diese vollbeschäftigt, steigt auch die Nachfrage nach Investitionsgütern (Multiplikatoreffekt).
 
 
 
 
 
 

 

Steigender Export trägt zum Aufschwung bei, abnehmender Export bremst den Aufschwung oder führt sogar - je nach der Entwicklung der Binnennachfrage - zum Konjunkturabschwung.
 
 
 
 
 
 
 

 

Bei der Betrachtung der Konjunkturtheorien kommt es noch darauf an, welche Zeiträume für die Erklärung zugrunde gelegt werden. So wurden verschieden lange, jeweils nach ihrem Entdecker benannte Konjunkturzyklen unterschieden (nach Schülerduden "Die Wirtschaft"):

Die langen Wellen beruhen auf langfristigen Veränderungen der Wirtschaftslage, die durch tiefgreifende Veränderungen der Technik oder der Politik ausgelöst werden. Die Wirtschaftsgeschichte kennt drei dieser langen Wellen, es wird auch von vier Wellen gesprochen, die jeweils mehrere kurze und mittlere Konjunkturwellen umfassen.
Die erste lange Welle ist gekennzeichnet von der industriellen Revolution und dauerte etwa von 1787 bis 1842. Die Entwicklung
der Eisenbahn, des Bergbaus und der Banken bestimmte die zweite lange Welle von 1843 bis 1894. Ab 1895 lösten die Entwicklungen in der Elektrizitätswirtschaft, der Eisenindustrie, der chemischen Industrie, im Maschinenbau und im Verkehrs- wesen die dritte lange Welle aus. Die Zeit ab 1950 ist durch weitere industrielle Entwicklungen in der Elektrizitätswirtschaft (Atomenergie), Maschinenbau (Automatisierung), chemischen Industrie (Kunststoffe) und in der Kommunikationstechnologie (Fernsehen, Computer) zu kennzeichnen. Dabei ist umstritten, ob von einer vierten langen Welle im traditionellen Sinn gesprochen werden kann, da schon etwa ab 1930 die Konjunkturzyklen durch staatliche Konjunkturprogramme beeinflusst wurden. Insbesondere in den sechziger und siebziger Jahre führte die "antizyklische Finanzpolitik" zu Konjunkturver- änderungen, die eine langfristige Wellenbewegung möglicherweise beeinflussten. Tatbestand ist jedenfalls, dass bis etwa zur Jahrtausendwende ein länger anhaltender Abschwung zu beobachten war, der auf ein Auslaufen der vierten Welle hindeutet. Wenn diese Theorie also zutrifft, könnte mit dem Jahr 2000 die fünfte lange Welle mit einem großen Aufschwung beginnen, der durch Mikroelektronik, Internet und Biotechnologie auslöst wurde.
 
Lange Wellen der Weltkonjunktur


Exkurs:
Das Akzelerator- und Multiplikatortheorem

Wie wirken sich Änderungen der Konsumgüternachfrage auf die Investitionen aus?
Das Akzeleratortheorem unterstellt einen Zusammenhang zwischen den Nettoinvestitionen und der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Wenn die Unternehmen damit rechnen, dass die Nachfrage nach ihren Produkten steigt und diese zusätzliche Nachfrage von Dauer ist, werden sie bei bereits ausgelasteten Produktionskapazitäten zusätzlich investieren. Diese zusätzlichen Investitionen werden um ein Vielfaches höher sein als die zusätzliche Nachfrage. Die Gesamtnachfrage wird beschleunigt.
Dieser Zusammenhang kommt in der InvestitionsfunktionDI = a * DC zum Ausdruck, wobei der Akzelerator (a) die Höhe der ausgelösten (induzierten) Nettoinvestitionen in Abhängigkeit von der Änderung der Konsumgüternachfrage (DC) angibt.
 

Die "Beschleunigung" der Investitionsänderungen im Verhältnis zu Konsumänderungen wird als Akzelerator bezeichnet.

Wie verändert sich das Volkseinkommen, wenn sich die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ändert?
Das Multiplikatortheorem unterstellt einen Zusammenhang zwischen einer einmaligen Erhöhung der Nachfrage nach Investitions- gütern und einem dadurch ausgelösten Einkommenszuwachs, der um ein vielfaches höher ausfällt. Die multiplikative Wirkung hängt von dem Verhältnis ab, in dem das aus zusätzlicher Güternachfrage entstandene Mehreinkommen konsumiert oder gespart wird. Der Mulitplikator ist umso größer, je mehr Einkommen für den Konsum verwendet wird und je weniger gespart wird.
 

Eine Multiplikatorwirkung liegt vor, wenn die Wirkung (Erhöhung des Volkseinkommens) um ein Mehrfaches höher ist als die Ursache (Erhöhung der Nachfrage). 

Dieser Zusammenhang mathematisch ausgedrückt: DY = 1/s * DI, wobei sich der Multiplikator 1/s als Kehrwert der Sparquote
darstellt. Der Einkommenszuwachs (DY) errechnet sich aus dem Multiplikator und der Veränderung der Nachfrage nach Investitionsgütern (DI). Beispielsweise hat bei einer Konsumquote von 80%, entspricht einer Sparquote von 20%, der Multiplikator die Größe 5. Das bedeutet, dass eine anhaltende Veränderung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage eine fünffache Wirkung auf das Volkseinkommen besitzt (bei einer Änderung der Nachfrage um 500 € würde sich das Volkseinkommen um 2500 € erhöhen).

Da sich die gesamtwirtschaftliche Nachfrage neben der Nachfrage nach Konsum- und Investitionsgütern auch noch aus der Nachfrage des Staates und der des Auslandes zusammensetzt, spricht man im einzelnen von einem Investitionsmultiplikator, einem Außenhandelsmultiplikator und einem Staatsausgabenmultiplikator.



4. Konjunkturpolitik

4.1. Antizyklische Konjunkturpolitik (Nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik):

Grundlagen: Das Stabilitätsgesetz stellt der Bundesregierung ein umfangreiches Instrumentarium zur Steuerung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage zur Verfügung.  Es wurde maßgeblich in den 60er Jahren entwickelt, als die Keynessche Ökonomie* Einzug in die Wirtschaftsministerien hielt. Das Stabilitätsgesetz orientierte sich am Konzept der antizyklischen Fiskalpolitik. Haushaltsüberschüsse, die sich In Boomphasen bilden, sind in die Konjunkturausgleichsrücklage, die bei der Zentralbank stillzulegen ist, einzustellen. Haushaltsdefizite in einer Rezession sollen zunächst über die Auflösung der Konjunkturausgleichsrücklage finanziert werden. Reichen diese Mittel nicht aus, erfolgt ein "deficit-spending", um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzukurbeln und das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht wieder herzustellen. Die Geldpolitik der Zentralbank spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle, sie wird nur unterstützend über die Gestaltung des Zinsniveaus eingreifen.
 

*J.M. Keynes (1883 bis 1946) schuf 1936 mit seinem Hauptwerk "Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes" die Grundlagen dieser Wirtschaftspolitik. Man spricht deshalb auch von Keynesianismus.

Zur Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage stehen im einzelnen folgende fiskalpolitische Instrumente bereit:

Man spricht auch von einer nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik, da sich diese fiskalpolitischen Instrumente hauptsächlich auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage auswirken.

Folgende Möglichkeiten zur Finanzierung dieser staatlichen Progamme sind denkbar:

Grenzen dieser Politik: 4.2 Monetarismus (Angebotsorientierte Konjunkturpolitik):

Der Ausgangspunkt für die monetaristische Theorie der Konjunktur- bzw. Wirtschaftspolitik ist, dass die Entwicklung des realen Bruttoinlandsprodukts und damit der Beschäftigung durch den Staat selbst verschuldet wird. Der Staat muss sich bei Eingriffen in das Wirtschaftsgeschehen zurückhalten, für bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen sorgen und die Entwicklung den Selbstheilungskräften des Marktes überlassen. Durch das Walten der Marktkräfte stellt sich mittel- bzw. langfristig automatisch ein Gleichgewicht bei Vollbeschäftigung ein. Eine staatliche Konjunkturpolitik ist überflüssig, wenn die Märkte funktionsfähig sind. Der private Sektor ist stabil und muss gestärkt werden. Ansatzpunkt einer mittelfristig orientierten staatlichen Wirtschaftspolitik ist das gesamtwirtschaftliche Angebot.
 

Diese Politik beruht auf den klassischen Ansätzen der Nationalökonomie und wurde vor allem durch den amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler Milton Friedmann (*1912) seit den 1950er Jahren  entwickelt und angewandt..

Dazu gehört eine Politik, die

Der langfristig entscheidende Faktor für Veränderungen des Volkseinkommens und der Beschäftigung ist die Veränderung der Geldmenge. Steigt die Geldmenge, wird über die zusätzlich finanzierte Nachfrage die Wirtschaft angekurbelt und das BIP steigt. Wird das Geldmengenwachstum gestoppt, kann die mögliche zusätzliche Nachfrage nicht finanziert werden, die Preissteige- rungsraten werden geringer und die Güterproduktion stagniert. Daraus folgt, dass die Geldmenge durch die Zentralbank so zu steuern ist, dass sie stetig wächst und damit auch das Wirtschaftswachstum. Die Geldpolitik sollte durch eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik des Staates unterstützt werden, der darauf achten sollte, dass die Kosten der Unternehmen sinken, indem die Lohnnebenkosten, vor allem die Sozialversicherungsbeiträge und die Kostensteuern gesenkt und die Abschreibungsmöglich- keiten verbessert werden.
 
Man spricht von einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik, da sie die Unternehmer durch besssere Bedingungen für das Angebot ermutigen will.

Die Geldpolitik ist das wichtigste wirtschaftspolitische Instrument und zwar in Form der am Produktionspotential orientierten Geldmengensteuerung.Die Staatsverschuldung muss schrittweise abgebaut werden, damit das damit verbundene hohe Zinsniveau die privaten Investoren nicht verdrängt. Praktisch findet der Monetarismus seinen Niederschlag in einer einseitig auf Inflationsbekämpfung ausgerichteten Politik der Geldmengenbeschränkung. Er wurde in einer Reihe von Ländern u.a. in Chile, Großbritannien, USA und in Deutschland vor allem in den 1980er und 1990er Jahren mit einem gewissen Erfolg angewandt, denn es gab seit 1983 mehr ein konstantes, wenn auch eher geringes Wachstum des BIP bei geringen Inflationsraten.

Grenzen dieser Politik:

zur Auseinandersetzung zwischen den beiden Richtungen der Konjunkturpolitik siehe Artikel
"Glaubenskriege"



 
 

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